LiMux - es ist tot, Jim.

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Ich bin ein großer Freund quelloffener Software. Ich nutze Linux, seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt. Trotzdem kann ich den Schritt der Münchner Stadtverwaltung nachvollziehen. Ein, meiner Meinung nach, großartiges und richtungsweisendes Projekt geht damit zu ende. Das Thema ist bereits ausgiebig diskutiert worden, die Bandbreite der thematisierten Gründe für das “Scheitern” dieses Projektes reicht von Unwissen der Entscheidungsträger (LINK) über zu große personelle und technische Aufwände bis hin zu einer gelenkten Entscheidung, forciert durch den Nutznießer Microsoft.

Betrachten wir die Entwicklung aber einmal losgelöst von idealistischen Standpunkten, erkennt man, dass es im Kern nicht um ein bestimmtes Betriebssystem geht. Vielmehr kommt zum Tragen, dass es im Jahr 2017 nicht möglich zu sein scheint, plattformübergreifend zu Arbeiten. Blicken wir zurück, war eines der Ziele des LiMux Projektes eine systemübergreifende und plattformunabhängige Infrastruktur zur schaffen.

Diese Zielsetzung ist absolut erstrebenswert, aber mit Blick auf in der Praxis verfügbare Lösungen, nicht ohne massiven Aufwand erreichbar. Anwendungen im betrieblichen, wie behördlichen Bereich, werden in erster Linie für Systeme mit Windows-Betriebssystemen entwickelt. Dies ist, auch wenn es für viele eingefleischte Open-Source-Freunde nicht akzeptabel ist, eine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Die meisten Entwickler von Software müssen auf irgendeine Art und Weise Ihren Lebensunterhalt verdienen. Software, die produktiv genutzt werden soll und gewisse Qualitätsstandards erfüllen muss, erfordert Entwicklungs- und Testaufwand. Anbieter, die diesen betreiben, wollen und müssen mit Ihrer Arbeit Geld verdienen. Dies funktioniert am besten, wenn man den potentiellen Absatzmarkt nicht künstlich einengt. Die logische Konsequenz daraus ist natürlich, das eine Software für das marktführende Betriebssystem entwickelt wird.

Idealismus hin- oder her, bei Entwicklungen, die sich an alternative Betriebssysteme mit verschwindend geringen Marktanteilen im Desktop-Bereich richten, lässt sich ein Gewinnziel bei geringen Absatzmengen nur durch entsprechend hohe Preise erzielen. Das hat aber nichts mit Unternehmen wie Microsoft oder Abnehmern, wie eben der Stadt München zu tun, sondern mit einem kranken und letzten Endes kaputten Wirtschaftssystem, in dem wir alle nur mitschwimmen.

Wenn ich hier wieder auf die technische Ebene beschränke, scheitert die Interoperabilität grundlegend an nicht standardisierten Datenformaten. Moritz Förster hat es in seinem Kommentar auf den Punkt gebracht:

Wenn alle Welt Microsofts Formate für Dokumente verwendet und man in der bayerischen Landeshauptstadt dann mühsam die Informationen herausklauben muss, interessiert sich der Sachbearbeiter nicht für das Ideal freier Software. Quelle

Damit Linux auf dem Desktop eine Chance hat, müssen sich Entwickler von Ihren idealen lösen. LibreOffice ist ein gutes Stück Software. Open Document Formate sind toll, wenn Sie aber nicht flächendeckend unterstützt werden, werden sie sich nicht durchsetzen. Microsoft als Anbieter von eigener Bürosoftware hat seine eigenen Formate am Markt etabliert. Das ist schade, aber verständlich. Anstatt nun aber zu lamentieren, wie ungerecht die Welt ist, wäre es zielführender die Unterstützung auch für proprietäre Formate zu verbessern. Solange aber ein ein in Word erstelltes Textdokument nicht ohne Aufwand in LibreOffice weiterbearbeitet werden kann (und umgekehrt) lassen sich Anwender nicht zu einem Wechsel bewegen. Die oft kritisierte Usability beschränkt sich nicht nur auf Benutzeroberflächen, sondern fängt – aus Nutzersicht – schon bei der Datei an.

Wenn es schon bei den Grundlagen hapert, dann muss man sich nicht wundern, wenn Nutzer nicht auf den Zug aufspringen wollen. Entwickler freier Software leisten hervorragende Arbeit.

Um nochmal auf Moritz Förster zu verweisen:

Aber Microsoft hat bewiesen, dass es kein Interesse daran hat, seinen Nutzern die Kontrolle über ihre Systeme zuzugestehen […] Der Konzern will die Zügel selbst in der Hand halten, wenn es um das Wohl der Endnutzer geht. Quelle

Natürlich will der Konzern (Microsoft) genau das. Apple tut genau das. Für Verfechter freier Software ist das ein Graus, aber schaut man über den Tellerrand, erkennt man, dass diese Strategie aus Sicht der Anwender nicht per se schlecht ist. Software ist komplex. Die Zeiten von kleinen hilfreichen Programmen auf “einfachen” Rechnern ist vorbei. Man darf nicht vergessen, dass ein Großteil der Nutzer von Rechnersystemen ANWENDER sind. Die Bezeichnung allein impliziert, das die Benutzung im Fokus steht. Die wenigsten Anwender von Alltagsgegenständen (Toaster, Kaffeemaschine, Kühlschrank, Auto etc.) kämen auf die Idee diese zu zerlegen und in den technischen Eingeweiden herumzufuhrwerken oder hätten das notwendige Fachwissen dazu. Warum sollte es also bei Software anders sein? Als Anwender möchte ich nicht an der Software herumbasteln müssen. Möglichkeiten für individuelle Anpassungen sind lobenswert, sind Anpassungen aber notwendig, um die Software effizient nutzen zu können, haben die Entwickler am Bedarf vorbei gearbeitet.

Professionelle Anwender haben eine Tätigkeit auszuführen, für die der Rechner ein Werkzeug ist. Produktivität und Benutzbarkeit ist an dieser Stelle sicherlich höher einzustufen als Idealismus. Ich denke, jeder, der sich beim Versuch, eine festsitzende Schraube mit einer klapprigen Zange zu lösen, die Finger geklemmt hat, wird einsehen, das ein passender Schraubenschlüssel das geeignetere Werkzeug für diese Aufgabe ist. Ebenso verhält es sich mit Software. Wenn ein Produkt für einen bestimmten Einsatzzweck ungeeignet ist, wird eine besser geeignete Alternative verwendet. In diesem Fall bedeutet das leider, dass ein proprietäres System für den Einsatzzweck besser geeignet ist.


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